Der Tod. Dort, wo Schmerz und Liebe so nah beieinander sind.

**Triggerwarnung**

 

Trauer.Verlust.Tod.

 

 

Liebes Grosi, lieber Ätti

 

Der Verlust schmerzt. Tief.

Nie mehr in eurem Wohnzimmer sitzen, nie mehr ein extra aufbewahrter Fünflieber erhalten, nie mehr das Joghurt 30 Minuten vor dem Essen aus dem Kühlschrank nehmen, sodass es Ätti nicht zu kalt ist.

 

Ja. Scheisse und richtig sureal fühlt sich das an. Ich wünschte es wäre anders und ihr wärt noch da.

 

Euer Tod hat mich verändert, wirklich! Es hat mich wacher gemacht. Seit eurem Tod fühle ich mich anders. Ich fühle mehr. Ich habe weniger Angst vor Schmerz. Ich fühle mich irgendwie verbundener - zu was auch immer. Ich habe einen Ort, an den ich jederzeit hingehen kann und ich mich geliebt und getragen fühle. Wow!

 

Im Prozess der Trauer habe ich vieles erfahren, was schwierig auszuhalten war, mich aber irgendwie gestärkt hat.

Auch wenn ihr physisch nicht mehr auf der Erde seid, spüre ich euch noch. Manchmal sogar näher, als ich es je tat. Hört sich creepy an.. und du kannst es für Schwachsinn halten oder nicht. Ich selbst bin mir ja nicht einmal sicher, ob es tatsächlich so ist, oder ob ich es mir einbilde. Auch egal. Mich beruhigt es, die beiden zu spüren.

 

Liebes Grosi, lieber Ätti

Wenn ich an euch denke und hinfühle, was es mit mir macht, dass ich euch nicht mehr Berühren kann, wenn diese Realität mich einholt und es mich „verhuddelt“, dann seid ihr da und berührt mein Herz. Ihr seid einfach da. Mit Liebe und mit einer wohligen Wärme.

 

Ätti, du „verkörperst“ für mich Urvertrauen. Du warst so oft einfach da. Warst in deinem Sessel und hast Moment für Moment einfach dein Herz pumpen lassen. Ich kenne dich als den Mann, der die Stunden, die Tage, die Momente des Lebens einfach nahm, wie sie kamen.

Grosi, du „verkörperst“ für mich bedingungslose Liebe. Auch wenn ich immer gedacht habe, dass du viel von mir erwartest und ich mehr so oder weniger so sein sollte, spüre ich jetzt, dass du mich so rein liebtest. Du hast meine Anwesenheit geschätzt. Du hast die Stunden mit mir genossen. Und jetzt? Du liebst mich, für alles was ich bin. Schon immer und immer noch.

 

Wenn ich mir selbst grad nicht vertraue weiss ich, dass du es tust, Ätti.

Wenn ich mich selbst nicht liebe, weiss ich, dass du es tust, Grosi.

 

Wenn die Erde bebt und mir alles nimmt, seid ihr da. Wenn ich allein übrig bleibe, seid ihr da. Wenn sich die ganze Welt von mir abwendet, wenn plötzlich kein Mensch, keine Blume, kein Licht mehr für mich da ist, ihr beide seid da, liebt mich und vertraut mir und meinem Weg.

 

Und das ist ein überwältigender Gedanke und ein noch überwältigenderes Gefühl.

Ich kann mich jederzeit an euch wenden.

 

Nie bin ich allein. Nie nie nie. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt.

Ihr wacht über mich und begleitet mich auf meinem Weg. Was für ein Geschenk.

Danke.

 

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Warum ich das so öffentlich poste?

Warum ich mich so verletzlich zeige und mich angreifbar mache?

 

Weil mich das Fühlen befreit. Und weil „Befreiung“ ansteckt (vielleicht). Auch wenn der Verlust tief schmerzt, ist es immer wieder eine Befreiung für meine Seele, wenn ich diese Gefühle und Emotionen zulassen kann.

 

Zulassen fällt mir schwer.

Kontrolle abgeben fällt mir schwer.

 

Aber manchmal gehts einfach nicht anders. Und wenn es mich überkommt, wenn es für einen kurzen Moment scheisse herausfordernd und beängstigend wird, so viel zu fühlen, so spüre ich, dass es wichtig ist und mich ein Stückchen - oder manchmal auch ein Brocken - leichter macht.

 

Fühlen befreit.

Zulassen befreit.

Hingabe befreit.

Kontrolle abgeben befreit.

 

Alles braucht Mut und Übung.

Liebe und Vertrauen.

 

Und wer weiss, vielleicht, wenn du dich grad nicht liebst, wenn du dir grad nicht mehr vertraust, vielleicht tut's wer anders.. da irgendwo, nah oder fern…

 

 

Liebes Grosi, lieber Ätti

Ja, ich vermisse euch. Aber lieben kann ich euch immer, egal wo ihr seid. Egal wo ich gerade bin.

 

 

In Liebe,

eure Velina