Die Gedanken sind so laut! Und das mitten in der Nacht.

Manchmal, wenn ich früh ins Bett gehe, wache ich mitten in der Nacht auf, bin total inspiriert und voll mit kreativen Gedanken. Eine laute Stimme ist aktiv und zwingt mich, sofort wieder einzuschlafen, da ich sonst müde sein werde. Ja, die hat vielleicht sogar recht. Doch, soll ich nun wirklich krampfhaft versuchen, meine Gedanken ruhig- oder abzustellen?


Es ist fünf Uhr Morgens. Zum Glück beherrsche ich das Zehnfingersystem, sonst könnte ich nun gar nicht sehen, wo die tasten sind.

 

Ich sitze draussen auf der Veranda, bin sei zwei Stunden hellwach. Es war ein Kampf, bis ich mich dazu entscheiden konnte, aufzustehen und raus zu gehen. 

 

Mein Impuls hat mir das schon vor zwei Stunden gesagt. Schon um drei hätte ich aufstehen und hochinspiriert schreiben können. Warum habe ich es denn nicht getan?

Meine Gedanken haben alles eingenommen. 

  • "Man" ist um drei Uhr nicht produktiv, da sollst du schlafen!
  • Du musst nun wieder Einschlafen, sonst bist du müde!
  • Du kannst jetzt nicht einfach wach sein!
  • Du musst nun wieder Ruhe finden, hopp!

Gleichzeitig kamen mir immer wieder die Bilder, wie ich nun draussen sitzen könnte, in den Wald hochlaufe oder warm eingepackt eine Bewegungssession auf der Veranda mache. Darauf hätte ich Lust gehabt, doch eben, der Kopf übernahm das Zepter und erlaubte es mir nicht.

Als ich zwei Stunden später, nach Atemübungen zur Beruhigung, übermässigem Bewegen und "Rumnuschen" zur Muskelentspannung und Hörbuch als Einschlaflied, immer noch hellwach wahr, hatte ich keine Lust mehr auf meinen inneren Kampf. Ich stieg aus dem Bett, schnappte mir eine Decke, Schal und warme Socken und setzte mich auf ein Kissen draussen auf den Boden. 

Und nun sitze ich hier draussen an der frischen Luft, fühle mich ruhiger und bin total fasziniert von dieser Stille.

Es ist still aber irgendwie auch nicht. Es ist wahnsinnig spannend, was um diese Uhrzeit bereits alles läuft: Autos fahren weg, Lichter gehen an und aus, vom Wald her kommen immer wieder Geräusche, Heizungen surren, Blätter fallen zu Boden. 

Falls gerade irgendwo ein anderer Mensch in der Nähe draussen sässe, würde er von irgendwoher ein Klacken hören; das wären die Töne meiner Tastatur. 

Ich mag das Gefühl, so früh wach zu sein. Es ist noch dunkel, die meisten schlafen noch. Ich fühle mich fast ein bisschen wie ein Zwerglein, das in aller Morgenstille sein Säcklein packt und sich auf den Weg in die weite Welt hinaus macht. 

Ja, diese Uhrzeit hat was Magisches, und die Magie habe ich viel zu wenig in meinem Leben. 

Das Magische, Verträumte ist jetzt gerade der Gegensatz zum Kopfigen, Strengen. Meine Gedanken sind oft sehr streng und richten sich gegen mich, wobei das Magische und Verträumte sich wie ein Spiel anfühlt, bei welchem ich herzlich eingeladen oder sogar die Spielinitiantin bin. 

Ja, mein Kopf hat sehr oft die Macht über mein Handeln, über mein SEIN, über mein Tag. Und ich realisiere es oft erst, wenn ich frustriert und genervt irgendwo rumstreunere und nicht mehr weiss, was ich eigentlich machen wollte und was ich unbedingt machen sollte. Da wird mir klar: ich bin gerade nicht wirklich verbunden mit mir, mit meiner Innenwelt. Ich versuche zwanghaft zu leisten, Dinge zu erledigen und noch etwas richtig gutes zu erreichen und einen Erfolg aus dem Tag rauszuholen. 

Ob es klappt? Da kann ich drauf zählen: NEIN. Solange ich in dieser Strenge rumirre, wird kein Gefühl von "geschafft" einkehren.

Das ist der Moment, in dem ich mich fremdgesteuert fühle. Ich übernehme irgend ein Denken von aussen, dass mir einredet, ich solle und müsse so und so sein oder das und das machen, um gut, richtig, wertvoll und erfolgreich zu sein.

Tatsächlich wäre es in diesem Moment auch einfacher, auf das System zu schiessen und empört zu rufen: Ihr verlangt so viel von mir! Ihr macht mich kaputt! Ihr wollt mich irgendwo reinpressen, wo ich nicht reingehöre! Ihr nehmt mir meine Freiheit!

 

Ja, vielleicht hat es in gewissen Aspekten ein Stücklein Wahrheit dabei, doch, für mich fühlt es sich immer noch besser an, wenn ich die Verantwortung zurück zu mir nehme. So fühle ich mich erst selbstbemächtigt. 

Ich mache mir bewusst, dass in einem Moment, wenn ich um drei Uhr Nachts aufwache, kein einziger Mensch auf dieser Erde mich gerade zwingt, sofort wieder einzuschlafen. Kein Mensch hält mich im Bett gefangen, schnürrt mich an und nimmt mir meine Beweglichkeit. Kein Mensch löscht gewaltvoll meine kreativen Gedanken. NEIN.

 

Einzig und allein ich bzw. meine Gedanken tun das. Meine Gedanken nehme mir die Freiheit. Das Strenge kommt aus mir selbst heraus. Und da ich in mir immer Polaritäten wahrnehme, gibt es in diesem Augenblick, in dem ich die strenge Stimme höre auch immer diese Stimme, die mich lautstark und liebevoll anfeuert, jetzt aufzustehen und etwas verrücktes zu tun. Raus in den Wald zu laufen, tanzen zu gehen oder eine Runde Sonnengrüsse zu praktizieren mit dickem Schal und Kappe. Und allein dadurch, dass ich in mir plötzlich diese Wahl spüre, auf welche Stimme ich nun höre, entspannt es sich in mir. 

Immer dann, wenn eine Stimme ganz laut wird und alles übernimmt, beginne ich zu leiden. 

Was hilft, wenn die Gedanken alles einnehmen?

Ich stelle mir folgende Fragen:

  • Welcher Teil in mir ist gerade laut und was schreit er?
  • Gibt es noch andere Teile, die aktiv, jedoch gerade nicht so laut, sind? Was sagen sie?
  • Habe ich Lust, was neues auszuprobieren?

Ich bin mir bewusst, dass Menschen mir Schlafstörungen andere Probleme haben und es sich nicht so einfach lösen lässt, wenn sie um drei Uhr Nachts hellwach im Bett stehen. Und denn noch bin ich überzeugt, dass uns unser Körper Impulse schickt, die uns helfen. Und unser Verstand kann sie erfassen, wenn er mutig genug ist und eine Bereitschaft in sich trägt, ganz andere Dinge auszuprobieren. 

Einige Regeln, die ich hier rausziehe: 

  • Sind meine Gedanken streng, gibt es auch noch den liebevollen Pol, der voll Bock dadrauf hat, was die strenge Stimme versucht zu verbieten.
  • Impulsen zu folgen, ist NIE eine falsche Entscheidung. Sie bringen mich höchstens an eine Herausforderung, die ich aber auch meisten kann - und die mich stärkt. 

Auch wenn ich vielleicht müde sein werde, hatte ich schon Morgens um fünf Uhr ein Erfolgserlebnis, an welchem ich nun Festhalten kann: In Verbindung zu mir habe ich einen Impuls erhalten, ihn umgesetzt und nun meine Gedanken sich beruhigen lassen. 

Und nun gilt es, mir heute ausreichend Ruhepausen zu gönnen, da mir womöglich 1-2 Stunden Schlaf fehlen. 

Arrivederci